Seit fast 300 Jahren sagt man hier in Venedig also: „Andemo da Florian (Gehen wir ins Florian)!“.
Ich gehe selten am Markusplatz vorbei, da man auch ohne Führung leicht zu diesem weltberühmten Platz gelangt. Wenn ich aber doch vorbeigehe, lade ich meine Gäste immer dazu ein, einen Blick in dieses alte und berühmte Kaffeehaus zu werfen. Wahrscheinlich weil ich die Ehre habe, seit 2007 der offizielle Fotograf des Caffè Florian zu sein, das 1720 unter den Arkaden des Markusplatzes eröffnet wurde und damit Italiens ältestes Kaffeehaus ist. Tatsache ist, dass ich mich einfach nicht beherrschen kann und mindestens einen flüchtigen Blick in die Innenräume werfe. Dabei bieten sich oft auch interessante fotografische Motive.
Seit fast 300 Jahren sagt man hier in Venedig also: „Andemo da Florian (Gehen wir ins Florian)!“.
Dieses Lokal hat trotz der Entvölkerung Venedigs, der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der venezianischen Gesellschaft, die eigene Identität bewahrt und zählt auch heute noch zu den begehrtesten Treffpunkten der Stadt.
Was bedeutet es eigentlich, der offizielle Fotograf eines der ältesten Kaffeehäuser der Welt zu sein, das sich darüber hinaus auch noch auf einem der berühmtesten und schönsten Plätze der Welt befindet? Es bedeutet, die Räume schon frühmorgens betreten zu können, während der Markusplatz langsam aufwacht, die Rollladen noch geschlossen sind und durch die Säle zu gehen, während die geschickt angebrachten Spiegel ein scheinbar unendliches Bild widerspiegeln. Man hat auch Zugriff auf die alten Silbergegenstände, Teekannen, Tassen und Zigarrenanzünder (früher konnte man noch im Kaffeehaus rauchen) um ihnen durch die Fotografie neues Leben zu schenken. Man nimmt außerdem bei all den Veranstaltungen teil, die während der Eröffnung der Sonderausstellungen im Rahmen der Architektur- und Kunstbiennale stattfinden.
Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass Riccardo Selvatico, ein Intellektueller und damals der Bürgermeister Venedigs, am Ende des 19. Jahrhunderts in einem der Innenräume des Caffè Florian, in der sogenannten Sala del Senato, zusammen mit befreundeten Literaten beschloss, die erste „Esposizione d'Arte“, die heutige „Biennale d’Arte“ zu organisieren. Am 3. Mai 2007 hatte ich selbst die große Ehre, der Presse und dem Publikum mein erstes Fotografie-Buch „Venice on the edge of light“ vorzustellen. Das Buch wird vom Verlag Biblos herausgegeben und hat inzwischen seine dritte Auflage erreicht. Dem Caffè Florian wurde dabei auch eine Sonderausgabe gewidmet (apropos, nochmals vielen Dank an Silvia, die als Verantwortliche für die Öffentlichkeitsarbeit gleich an mein Projekt geglaubt hat!). Als Fotograf des Kaffeehauses erlebe ich einige der wichtigsten Veranstaltungen des venezianischen Lebens zwar als Protagonist, aber dennoch hinter den Kulissen und kann so ungestört all die Aspekte abbilden, die mich am meisten interessieren.
Eigentlich ist “Florian” nicht der ursprüngliche Namen des Cafés. Der Gründer des Kaffeehauses, Floriano Francesconi, mietete das Lokal unter den Arkaden der Procuratie Nuove, um hier am 26. Dezember, damals der Beginn der Faschingszeit, seinen Kaffeeladen zu eröffnen. Leider verspätete sich der beauftragte Tischler, die Möbel zu liefern und das Café wurde erst am 29. Dezember eröffnet.
Floriano Francesconi nannte das Lokal „Alla Venezia trionfante“ (Zum triumphierenden Venedig). Der venezianische Triumph ging aber „nur“ 77 Jahre später seinem Ende entgegen, als am 12. Mai 1797 mit der letzten Versammlung des Großen Rates und der französischen Besetzung durch Napoleon, die venezianische Republik endgültig fiel. Ich habe „nur“ 77 Jahre unter Anführungszeichen gesetzt, weil man sich daran erinnern muss, dass die Republik Venedig im Jahr 697 gegründet wurde und erst 1797, nach etwa 1100 Jahren fiel.
Florianos Enkelkind folgte dem Motto „Andemo da Florian”, dass sich in der Zwischenzeit eingebürgert hatte und gab dem Kaffeehaus seinen jetzigen Namen, „Caffè Florian“.
Und zum Schluss noch ein interessantes Ereignis. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden in Venedig dermaßen viele Kaffeeläden eröffnet, dass ein Gesetz des 4. Oktober 1759 die Gesamtanzahl auf 206 beschränkte. 34 dieser Kaffeehäuser befanden sich im Areal des Markusplatzes und der anliegenden Piazzetta San Marco.
Anbei der Link zur englischen Homepage: