Die bis heute erhalten gebliebenen Schätze in der Lagunenstadt künden noch immer von der Herrlichkeit und großartigen Vergangenheit Venedigs.
Schon das Äußere der Palazzi fasziniert. An den reichgestalteten Fassaden mit all ihrem erlesenen Zierat lassen sich Macht, Status und Reichtum ihrer Besitzer ablesen. Aber auch die herrlichen Innenräume, die unvergleichlich prächtig ausgestattet wurden, lassen das Herz höher schlagen. Luxus und überfluß kennzeichneten das Leben in den Palazzi. Francesco Sansovino beschrieb die Ausstattung dieser besonderen „vier Wände“ ausführlich Ende des 16. Jahrhunderts in seinem Werk Venetia città nobilissima: „Was die opulente Dekoration, die vornehme Möblierung und die unglaublichen Reichtümer der Häuser angeht – seien es nun kleine oder große Gebäude -, ist es unmöglich, sie vorzustellen oder gar zu beschreiben. Da seit den Anfängen Venedigs nunmehr 1100 Jahre verstrichen sind, ohne daß es jemals von feindlicher Hand geplündert oder erobert worden ist, und da es sich von seit jeher Reichtümer vieler zerstörter und Jahrhundertelang von Barbaren heimgesuchter Städte nach Venedig gelangten, ist es geradezu zwangsläufig, daß die Bewohner der Lagunestadt in Überfluß und Reichtum leben. Außerdem stehen die Adelshäuser seit Jahrhunderten in höchster Blüte. Sie verzeichnen für die Magistratsherren große Erfolge auf hoher See und haben ihre Häuser stets mit Reichtum gefüllt.
Obgleich sie immer schon in Sparsamkeit lebten, war die Ausstattung ihrer herrlichen Wohnsitze dennoch großartig. In unzähligen Bauten sind die Holzfußböden der Schlafgemächer und anderen Räume vergoldet oder zumindestens farbig gefaßt. Die Zimmer sind mit Gemälden und anderen Preziosen ausgestattet. Fast alle Gebäude haben Wohnräume, deren Wände edle Seidenteppiche oder Lederbespannungen mit Golddruck bedecken und in denen sich je nach dem jeweiligen Zeitgeschmack Spaliere und andere Dinge befinden. Die Schlafgemächer sind größtenteils mit Betten und goldenenTruhen aus gestattet, mit Malereien in Rahmen, in denen Gold dominiert. Unzählig sind die Kredenzen aus Silber und das fein gearbeitete Gerät aus Porzellan, Zinn, Kupfer oder Bronze. In den Hauptsälenbe finden sich Waffen, Wappen und Banner der Vorfahren, die auf See oder zu Land kämpften. Auf einer Versteigerung habe ich den Hausrat eines zu Gefängnisstrafe verurteilten Adligen gesehen. Dieses Mobiliar wäre selbst für einen Herzog Italiens zu verschwenderisch gewesen.“
Über Jahrhunderte bleib die venezianische Palastarchitektur bei alle Unterschiedlichkeit der aufeinanderfolgenden Stilperioden gewissen Grundprinzipien treu. Diese wursen lediglich variiert, aber nicht grundsätzlich verändert. Im Erdgeschoß durchmißt ein Korridor die gesamte Tiefe des Gebäudes. An diesen Hausflur schließen sich rechts und links Räume an, die der hauptsächlich vom Handel lebenden venezianischen Gesellschaft einst als Lagerstätten für Waren dienten. Der venezianische Palast hat zwei Eingänge: einem vom Wasser her und einen auf der anderen Seite vom Land. Beide führen in den Hausflur, von wo man über eine Treppe in das erste und zweite Obergeschoß gelangt. Die beiden oberen Stockwerke, dei sogenannten piani nobili, sind der Wohnbereich des Hauses. Ihre Raumaufteilung entspricht dem Erdgeschoß. So befindet sich über dem Hausflur ein großer zentraler Saal, der portego genannt und durch die großen Fassadenfenster erhellt wird. Von ihm gelangt man in die anderen Räumlichkeiten des Geschosses. Da die piani nobili als Repräsentationsbereiche gesellschaftliche Stellung, Macht und Ansehen der jeweiligen Bewohner widerspiegelten, ist deren ausstattung besonders bemerkenswert.
Heute findet man Inneren der Paläste zumeist die Ausstattung aus dem 18. Jahrhundert vor, dem letzen Säkulum der Serenissima, der Republik Venedig. Das von Sansovino erwähnte sichtbare Gebälk des 16. und 17. Jahrhunderts wurde im 18. Jahrhundert mit Deckengemälden der hervorragendsten venezianischen Künstler übermalt. Diese Fresken wurden oft mit erlesenen Stuckrehmen eingefaßt, für die die besten Stukkateure aus dem Tessin nach Venedig gerufen wurden. Seit Ende des 17. Jahrhunderts und das ganze 18. Jahrhunderts hindurch arbeiteten sie im umfangreichen Maße in der Lagunenstadt. Zu jener Zeit begannen Stukkaturen und Malereien auch die Wände zu überziehen. Sie ersetzten die älteren Wandverkeildungen aus Leder mit Golddrucken, die berühmten cuori d'oro, die im 18. Jahrhundert als unzeitgemäß empfunden wurden und von denen bis heute leider nur noch wenige Beispiele erhalten sind. Einzigartig und besonders bemerkenswert waren - Sansovino zufolge - auch die Fenster, die "...nicht mit Wachstuch oder Papier geschlossen werden, sondern mit weißen und und feinen Glasscheiben, die in Holzrahmen eingefaßt sind und Eisenund Bleihalterungen aufweisen. Zum Erstaunen der Fremden finden sich diese Fenster nicht nur an der Palästen und Wohnhäusern, sondern auch an allen noch so unwichtigen Gebäuden. Allein daran kann der unermeßliche Reichtum begriffen werden, der aus den Öfen von Murano stammt.."
Das Ende der Republik, die daraus resultierenden politischen Unruhen und der Untergang der venezianischen Aristokratie ließen die jahrhundertealten Kostbarkeiten der venezianischen Paläste in allen Herren Länder gelangen. Was viele Generationen gesammelt hatten, konnte aber nicht in aller Vollständigkeit fortgeschafft werden. Die bis heute erhalten gebliebenen Schätze in der Lagunenstadt künden noch immer von der Herrlichkeit und großartigen Vergangenheit Venedigs.